Warum eine spezifische Kinderfilmförderung des Bundes unverzichtbar ist
Stellungnahme des Fördervereins Deutscher Kinderfilm e.V. vom 28. Mai 2024
Mit der Richtlinie für eine jurybasierte Filmförderung des Bundes wurde ein weiterer Baustein für die Reform der Filmförderung des Bundes vorgelegt, die einen entscheidenden Bereich vermissen lässt: Wir sind davon überzeugt, dass es sowohl eine spezifische Kinderfilmförderung als auch eine Förderjury Kinderfilm braucht. Zum Verständnis zunächst einige Daten (1):
Kinojahr 2023
Erstaufgeführte deutsche Filme: 223 Produktionen, davon 17 Kinderfilme
- Diese 7,6% der erstaufgeführten Titel erzielten 29,7% der verkauften Tickets
- 2 von 7 „Besuchermillionären“ sind Kinderfilme
- Der besucherstärkste majoritär deutsche Film war „Die Drei ??? – Erbe des Drachen“
- Der kulturell erfolgreichste deutsche Film war „Mission Ulja Funk“
- Der von seinen Besucher*innen am besten bewertete TOP 50 Film ist „Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen“
→ Filme für Kinder sind eine wesentliche Säule der Filmwirtschaft und Filmkultur
Es ist den gemeinschaftlichen Anstrengungen seitens der Förderungen des Bundes und der Länder sowie der Fernsehsender und weiteren Branchenplayern zu verdanken, dass sich Kinderfilme zu dieser wirtschaftlichen und kulturellen Größe in der deutschen Filmlandschaft entwickeln konnten.
Die nun vorgelegte Richtlinie lässt vermuten, dass dieser Erfolg keiner besonderen Bemühungen bedarf, es ausreichend ist, Kinderfilm in „angemessenem Umfang“ zu fördern und eine spezifische Kinderfilmförderung verzichtbar sei.
In der Tat ist es so, dass es derzeit weder bei der FFA noch bei den regionalen Förderungen eine spezifische Kinderfilmförderung gibt: Projekte für das junge Publikum bewerben sich gemeinsam mit allen anderen um die Mittel in den verschiedenen Förderstufen. Wenn diese Vorgehensweise nun auch in der jurybasierten Filmförderung des Bundes Einzug hält, gibt es keine feste Summe, die dem Kinderfilm zugewiesen wird und auch die Förderung in der Produktion könnte höher als bis dato (1 Mio statt i.d.R. 500 Tsd) ausfallen – also, kein Anlass zur Sorge und alles in Ordnung?
Nein.
Der in der Richtlinie vorgeschlagene Ansatz ignoriert die Tatsache, wie wichtig eine spezifische Förderung zur Verankerung des Kinderfilms in der Förderlandschaft in diesem Land ist. Verlieren wir diesen zuverlässigen Anker, wird dieser (ge-)wichtige Bereich der Film- und Kinowirtschaft Deutschlands aus dem Sichtfeld der Förderungen getrieben, fundamental beschädigt und somit die Interessen der Kinder an Teilhabe am hochsubventionierten Kulturgut Film missachtet.
Vor 45 Jahren, im Internationalen Jahr des Kindes, 1979, wurden beim Bundesinnenministerium (BMI) erstmals spezifische Fördermittel für die Herstellung von Kinderfilmen zur Verfügung gestellt und von einer eigenen Kommission (C) vergeben. Die Förderpraxis hatte gezeigt, dass es Kinderfilme in Konkurrenz zu anderen großen Projekten sehr schwer hatten, sich durchzusetzen. Diese spezifische Kinderfilmförderung war damals ein notwendiger Schritt – und ist es auch heute noch. Auch wenn der Kinderfilm Jahrzehnte später ungleich besser dasteht, hat dieses grundlegende Argument leider immer noch Bestand: Bei einer sich verschärfenden Konkurrenz um die zur Verfügung stehenden Mittel geraten die Belange und Interessen von Kindern zuerst aus dem Blickfeld, denn sie sind nicht in diese Verteilungsprozesse involviert.
Die kommentarlose Streichung der spezifischen Kinderfilmförderung auf Bundesebene schwächt sinnvolle, erfolgreiche Förderstrukturen insgesamt und wird zu einer Diskriminierung von Kindern führen. Das steht im krassen Widerspruch zur Zielsetzung der Förderung, die in §1, 2 dargelegt wird.
Zur Einhaltung der Grundrechte auf Teilhabe und Generationengerechtigkeit, aber ebenso aus fachlichen Gründen (u.a. Jugendschutz, Bedürfnisse und Fähigkeiten einer sehr heterogenen Zielgruppe, spezifische Vertriebswege wie nichtgewerbliche Auswertung, Erhaltung und Weiterentwicklung einer vielfältigen Kinderfilmkultur) muss die Expertise um die signifikante wie einzigartige Zielgruppe der unter 14-Jährigen berücksichtigt werden – und zwar in Form einer eigenen Förderjury, sowie Expert*innen im Drama Department und auch in den Gremien der neuen FFA – ganz konkret dem Verwaltungsrat und dem Diversitätsbeirat.
Wie könnte es nun weitergehen? Auch hier vorweg einige Daten:
Angesichts der dargelegten Zahlen (die sich der Übersicht halber auf Entwicklungs- und Produktionsförderung für Spiel-, Dokumentar- sowie programmfüllende Kinderfilme konzentrieren), ist abzusehen, dass ab 2025 bei noch offener finanzieller Ausstattung mit einem sehr hohen Antragsaufkommen für die jurybasierte Filmförderung des Bundes zu rechnen ist. Insofern besteht die Herausforderung, der Menge an Anträgen Herr zu werden und daraus die Projekte auszuwählen, die dazu geeignet sind, die künstlerisch-kreative Qualität und Innovationskraft des deutschen Kinofilms zu steigern. Um dieser Herausforderung adäquat zu begegnen und sicherzustellen, dass Kinderfilme angemessen berücksichtigt werden, ist die Förderjury Kinderfilm (Treatment, Drehbuch, Projektentwicklung, Produktion, Kurzfilm) unverzichtbar. Sie sollte bis zu drei Mal pro Jahr tagen und über mindestens 20% der Mittel entscheiden – zur Erfüllung der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, sich tatsächlich jetzt um Kinder und ihre Belange und somit die Zukunft unseres Landes zu kümmern.
Wir hoffen, dass unsere Argumente nicht nur Gehör finden, sondern verhindert werden kann, dass eine der wesentlichen Säulen der deutschen Filmwirtschaft und Filmkultur substanziell Schaden nimmt und eine ganze Bevölkerungsgruppe diskriminiert wird.
Dass wir für einen weiteren produktiven Austausch im Reformprozess selbstverständlich gern zur Verfügung stehen, haben wir bereits in den drei zuvor vorgelegten Stellungnahmen zum Ausdruck gebracht. Wir möchten dieses Angebot eines persönlichen Austauschs erneut unterstreichen.
Erfurt, 28. Mai 2024
gez.
Förderverein Deutscher Kinderfilm e.V. (FDK)
Vorstand: Johanna Faltinat, André Fetzer, Norbert Lechner, Anne Schultka
Projektmanagement: Margret Albers
Vorsitzende des Kuratoriums: Nicole Kellerhals
Über uns
Der Förderverein Deutscher Kinderfilm e.V. (FDK) ist eine gewerkeübergreifende, gemeinnützige Interessenvertretung.
269 Mitglieder (Firmen, Institutionen, Personen) aus allen Bereichen der Branche von Stoffentwicklung bis Auswertung setzen sich gemeinschaftlich für ein vielseitiges Kindermedienangebot ein.
Im aktuellen Reformprozess hat der FDK im Juni 2023 mit der Unterstützung zahlreicher Mitglieder der Initiative Der besondere Kinderfilm eine Stellungnahme vorgelegt (hier abrufbar) und in einem weiteren Papier im November 2023 dargelegt, wie wichtig es ist, die Belange, Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen bei der umfänglichen Reform der Filmförderung des Bundes zu berücksichtigen (hier abrufbar). Im Februar 2024 legte der FDK eine weitere Stellungnahme zum Entwurf des FFG sowie des weiteren Reformprozesses vor, in dem bereits auf die Notwendigkeit einer spezifischen Kinderfilmförderung hingewiesen wurde (hier abrufbar).
(1) Quellen: FFA, Das Kinojahr 2023, S.25, S.28, https://www.ffa.de/marktdaten.html#publikationen
FFA Pressemitteilung vom 05.04.2024, https://www.ffa.de/pressemitteilungen-detailseite/ffa-branchentiger-2024-referenzfoerderung-fuer-produktion-verleih-und-kurzfilm.html Die meisten Referenzpunkte für Festivalteilnahmen und Auszeichnungen sammelte die im Rahmen der Initiative „Der besondere Kinderfilm“ entstandene Produktion „Mission Ulja Funk“ – dies subsumieren wir als der „kulturell erfolgreichste Film“.
FFA Pressemitteilung vom 07.05.2024, https://www.ffa.de/pressemitteilungen-detailseite/ffa-auswertung-top-50-filmtitel-2023-gute-noten-fuer-deutsche-filme.html
(2) Quellen: Kulturelle Filmförderung der BKM – Die Anzahl der Anträge wurde auf Anfrage übermittelt; Fördervolumen und geförderte Projekte anhand der BKM Förderentscheidungen ermittelt, https://www.kulturstaatsministerin.de/DE/film-und-medien/kulturelle-filmfoerderung/aktuelle-foerderentscheidungen/aktuelle-foerderentscheidungen_node.html
FFA Förderkommission für Produktions- und Drehbuchförderung – Die FFA-Förderungen in der Übersicht 2023, S.5, S.12, https://www.ffa.de/marktdaten.html#publikationen