Für eine generationengerechte Novelle des FFG
Stellungnahme des Fördervereins Deutscher Kinderfilm e.V. vom 13. November 2023

14,25 Millionen (16,9%) der deutschen Bürger*innen sind unter 18 Jahre, davon sind 11,41 Millionen (13,2%) unter 14 Jahre alt. (1)

Der Förderverein Deutscher Kinderfilm e.V. hat im Juni 2023 mit der Unterstützung zahlreicher Mitglieder der Initiative Der Besondere Kinderfilm eine Stellungnahme (2) zur Novelle des FFG vorgelegt.

Wir begrüßen sehr, dass mit der erstmaligen Ermittlung der Reichweite und Besuchsintensität von Kinobesucher*innen unter 10 Jahren durch die FFA einer der derzeit benannten Aspekte Würdigung und Umsetzung erfahren hat. Gleichwohl nehmen wir in diesen Krisenzeiten zur Kenntnis, dass in der Konkurrenz um die zur Verfügung stehenden Mittel die Belange, Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen aus dem Blickfeld geraten und melden uns daher erneut zu Wort.

Wie sollen junge Menschen Vertrauen in unser politisches System und dessen demokratische Säulen entwickeln, wenn man sie fortwährend vergisst? Obwohl es im Koalitionsvertrag heißt Wir werden den Kinder- und Jugendplan bedarfsgerecht ausstatten. Im Anschluss an das Corona-Aufholpaket werden wir die Situation für Kinder und Jugendliche mit einem Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit schnell und wirksam verbessern (3) sind 2024 mit rund 19% drastische Kürzungen im Kinder- und Jugendplan des BMFSFJ vorgesehen. Einerseits hoffen wir, dass diese Pläne nicht umgesetzt werden und andererseits kämpfen wir dafür, dass sich dieses „Vergessen“ nicht in der Filmpolitik fortsetzt.

Film ist ein wichtiges, subventioniertes Kulturgut – Vielfalt für und Teilhabe von jungen Menschen ist bei der umfassenden Reform des FFG in jedem Fall zu berücksichtigen. Zudem ist die erhebliche Marktrelevanz der Filme für das junge Publikum sowie des jungen Publikums selbst zu berücksichtigen:

  • Unter den von der FFA ermittelten TOP 100 Deutsche Filme des 1. Halbjahres 2023 befinden sich 36 Produktionen für das junge Publikum: Von Adaptionen wie „Die Drei ??? – Erbe des Drachen“ und „Sonne und Beton“ bis hin zu Originalstoffen wie „Mission Ulja Funk“. Von Animationsfilmen wie „Maurice der Kater“ bis hin zu Dokumentarfilmen wie „Checker Tobi und das Geheimnis unseres Planeten“ oder „Kalle Kosmonaut“. Ein vielseitiges Spektrum von Formen und Genres, das überproportional erfolgreich ist, denn diese 36 Produktionen erzielten 45% der Besucher*innen der TOP 100 Deutsche Filme.4
  • Wie bereits erwähnt, ließ die FFA im Juli 2023 erstmals die Reichweite und Besuchsintensität von Kinobesucher*innen unter 10 Jahren ermitteln und differenzierte die Alterskohorte 10 – 19 in 10-14 und 15-19. Die im Rahmen der Filmkunstmesse Leipzig vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass von den 10 – 14-Jährigen 79% und von den 6 – 9-Jährigen 68% ins Kino gehen. Es sind die Altersgruppen mit der höchsten Kino-Reichweite; der Durchschnitt liegt bei 34% (5)

Durch vielseitige Anstrengungen der Branche (z.B. der Initiative Der Besondere Kinderfilm) hat sich das Angebot für das junge Publikum im letzten Jahrzehnt immer vielfältiger präsentiert. Zudem gehen Kinder und Jugendliche gern ins Kino. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im 1. Halbjahr 2023 der Marktanteil deutscher Produktionen 26% betrug.

Insofern sollte das novellierte FFG Raum schaffen, die Vielfalt deutschen Filmschaffens weiterzuentwickeln und dem jungen Publikum nahezubringen, wenn man deren Filmsozialisation nicht den US-amerikanischen Majors überlassen möchte.

Wir fordern:

Raum für Kinderfilm

Bei allen Vorteilen, die ein hohes Maß an Automatisierung der Förderung verspricht, birgt sie das Risiko, zu Ungunsten der Vielfalt zu gehen.

Die spezifische Förderung der BKM in Zusammenarbeit mit dem Kuratorium junger deutscher Film ist ein wichtiges Instrument, künstlerisch anspruchsvolle Kinderfilme bundesweit zu fördern.

Zudem lautet §59, 1, FFG, Förderhilfen zur Projektfilmförderung:

Projektfilmförderung kann gewährt werden, wenn ein Filmvorhaben einen programmfüllenden Film erwarten lässt, der besonders geeignet erscheint, die Qualität und die Wirtschaftlichkeit des deutschen Films zu verbessern. Es sollen Filmvorhaben aller Art gefördert werden, darunter in angemessenem Umfang auch Projekte von talentierten Nachwuchskräften, Kinderfilmprojekte, die auf Originalstoffen beruhen, und Projekte, die auch zur Ausstrahlung im Fernsehen geeignet sind.

Hinzu kommt das Engagement der regionalen Förderungen für das junge Publikum.

Gemeinschaftlich hat man mit der Initiative Der besondere Kinderfilm einen weiteren Baustein geschaffen, um Kinderfilm mehr Präsenz und Gewicht zu verleihen: Ein Zusammenschluss aus den genannten nationalen Förderungen, regionalen Förderungen, Sendern, Institutionen und Verbänden, die sich aktiv für die Steigerung von Anzahl und Qualität originärer Kinderfilme in Kino und Fernsehen einsetzen. In den 10 Jahren des Bestehens der Initiative, die mittlerweile 26 Mitglieder zählt, wurden 10 Kinderfilme produziert. Diese Produktionen konnten im In- und Ausland mehr als 100 Preise gewinnen, darunter Deutsche Filmpreise für „Auf Augenhöhe“ und „Mission Ulja Funk“. Sie wurden und werden vielseitig ausgewertet – Filme wie z.B. „Unheimlich perfekte Freunde“ und „Into the Beat“ gehören zum Repertoire in Kino, Fernsehen und Streaming Angeboten. Drei weitere Projekte sind in Produktion, zwei in Produktionsvorbereitung und sechs in Stoff- bzw. Projektentwicklung.

An der Produktions-Finanzierung der ersten 10 Filme waren BKM und DFFF stets und die
FFA an 7 beteiligt. Die Produktionen im Rahmen der Initiative stehen exemplarisch für
Kinderfilme, die aktuell sowohl von der BKM als auch von der FFA selektiv als auch automatisch vom DFFF gefördert werden. (6)

Bei der Überführung der kulturellen Filmförderung der BKM in die „neue FFA“ ist zu berücksichtigen, die Budgets so zu gestalten, dass Finanzierungsanteile, die zuvor von zwei unterschiedlichen selektiven Förderungen erbracht wurden, nun von einer erbracht werden können und zudem die automatisierte Förderung in ausreichendem Maße greift.

Raum für Forschung, Innovation & Weiterbildung

Mit dem Inkrafttreten des FFG 2014 – 2016 sind die sonstigen Förderungsmaßnahmen, Weiterbildung sowie die Förderung von Forschung, Rationalisierung und Innovation, weggefallen.

Nun haben sich die Sehgewohnheiten in Deutschland u.a. durch die Präsenz der Streaminganbieter drastisch verändert, zusätzlich katalysiert durch die pandemiebedingten Kinoschließungen 2020/21. Damit im filmischen Ökosystem weiterhin ein vielseitiges Filmangebot überleben kann, ist dringend angeraten, innovative Wege zu gehen und eine Förderung von Modellprojekten zu Zuschauer*innenforschung und -bindung zu ermöglichen. Inspiration dafür könnte PublikumsFokus sein, ein Förderprogramm des Dänischen Filminstitutes, das 2020 an den Start ging und dessen Ausrichtung wir bereits in der Stellungnahme im Juni umrissen haben. In den kommenden Jahren legt PublikumsFokus den Schwerpunkt auf Projekte, die sich an Kinder, Jugendliche sowie junge Erwachsene richten; ebenso gilt das Augenmerk der Kinoauswertung. (7)

Die erneute Implementierung von Forschung und Innovation im FFG würde auch in Deutschland zu dringend benötigten Impulsen führen. Wir brauchen Strategien, wie wir Filme für das Publikum aller Altersgruppen entwickeln, es einbeziehen und Wege, wie wir diese Filme letztendlich auch zu ihnen bringen können. Diese Wege dürfen nicht erst am Ende des kreativen Prozesses beginnen.

Dies bedeutet ebenso einen kontinuierlichen Lernprozess und damit einen Bedarf an Weiterbildung: Wie bezieht man seine Zielgruppe ein? Was ist das Spezifische am Erzählen für junge Menschen? An den Filmhochschulen spielt die Entwicklung, Herstellung und Vermarktung von Filmen für Kinder und Jugendliche in der Lehre keine Rolle. Diese und weitere Leerstellen gilt es, mit aktuellen, den Marktgegebenheiten angepassten Weiterbildungsangeboten zu füllen. Als Beispiel sei das Stoffentwicklungsprogramm Akademie für Kindermedien genannt, das aktuell von Länderförderungen, der Branche sowie der BKM gefördert wird.

Raum für Filmbildung

Maßnahmen zur Filmbildung gehören gemäß §2 FFG zu den Aufgaben der FFA und sie ist an dem Netzwerk für Film und Medienkompetenz VISION KINO beteiligt.

So wichtig die Arbeit von VISION KINO ist, so wichtig ist im Bereich Filmbildung Pluralität und Kontinuität. Bundesweit gibt es zahlreiche Initiativen und Institutionen, die im außerschulischen wie schulischen Bereich seit Jahren wertvolle Arbeit leisten und eine große Expertise mitbringen. Sie arbeiten aktuell unter prekären Bedingungen, die sich angesichts der Kürzungen im Kinder- und Jugendplan zweifellos verschärfen werden. Umso wichtiger ist hier das Engagement der Filmpolitik, denn Filmbildung liegt in ihrem Interesse.

Wir erwarten, dass im neuen FFG das Thema Filmbildung dezentral angelegt wird und neben VISION KINO, einer Vielfalt von Akteur*innen Möglichkeiten einer Förderung eröffnet werden. Darüber hinaus sollten alle Akteur*innen darin ermutigt werden, Filmbildung so zu denken, dass sie alle Kinder und Jugendliche, unabhängig von ihrer Herkunft, Ethnie, Einkommen und Bildung der Eltern oder Wohnort abseits der urbanen Zentren, in unserer pluralistischen Gesellschaft erreichen.

Präsenz in Organen und Kommissionen der FFA

Angesichts von Marktrelevanz und kulturellen Bedeutung von Filmen für das junge Publikum sowie der Verantwortung, die wir der jungen Zielgruppe gegenüber tragen, erachten wir es für notwendig, dass künftig im Verwaltungsrat (§6 FFG) der FFA ein Mitglied gemeinsam vom Förderverein Deutscher Kinderfilm e.V., dem Bundesverband Jugend und Film e.V. (BJF) und dem Deutschen Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF) benannt wird.

Im Zuge der vorgesehenen Zusammenlegung der selektiven Filmförderung der BKM und der FFA erachten wir es zudem für notwendig bei der Besetzung der Kommissionen Vertreter*innen mit Kinder- und Jugendfilmexpertise zu benennen.

Für weiteren produktiven Austausch im Novellierungsprozesses stehen wir selbstverständlich gern zur Verfügung.

Erfurt, November 2023

gez.

Förderverein Deutscher Kinderfilm e.V. (FDK)

Vorstand: Johanna Faltinat, André Fetzer, Norbert Lechner, Anne Schultka Projektmanagement: Margret Albers
Im Namen des Kuratoriums: Nicole Kellerhals

1 Stand: 31.12.2022 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1365/umfrage/bevoelkerung-deutschlands- nach-altersgruppen/

2 https://foerderverein-kinderfilm.de/2023/06/30/stellungnahme-ffg/

3 https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/1f422c60505b6a88f8f3b3b5b8720bd4/202 1-12-10-koav2021-data.pdf?download=1, S. 98

4 https://www.ffa.de/marktdaten.html, Kino-Halbjahresergebnisse 2023, S.23 f, eigene Zählung & Berechnung

5 https://www.ffa.de/marktdaten.html#studien; Zahlen und Fakten zum Kinomarkt – Präsentation zur Filmkunstmesse Leipzig – September 2023; Seite 10

6 Weitere Beispiele aus der FFA TOP 100 Liste 1. Halbjahr 2023: „Der Räuber Hotzenplotz“, „Lucy ist jetzt Gangster“, „Alfons Zitterbacke – Endlich Klassenfahrt!“

7 https://www.dfi.dk/nyheder/puljen-publikumsfokus-goeres-permanent

Download der Stellungnahme